Juni 12

Psychotherapie – eine Hürde bis heute und ein Aufruf zu mehr «MUTausbrüchen»

In den letzten Jahrzehnten hat die Psychotherapie immer mehr an Ansehen gewonnen und ist in der Gesellschaft längst nicht mehr so ein grosses Tabu wie es früher einmal war.

Dennoch ist es bis heute so, dass der Entschluss zu einer psychotherapeutische Behandlung weiterhin für viele Menschen eine grosse Hürde darstellt. Viele Menschen, die unter psychischen Problemen leiden suchen nur selten, sehr spät oder oft auch gar keine therapeutische Unterstützung. Häufig besteht eine Angst vor Stigmatisierung («dann habe ich wirklich eine Schraube locker», «was sollen die Leute von mir denken, wenn sie davon erfahren?»), ein Scham- und Schuldgefühl oder ein Gefühl die eigenen Probleme und Schwierigkeiten nicht selbst in den Griff bekommen zu haben, was wiederum zu Versagensangst und Selbstabwertung führt. Dies ist auf den ersten Blick sehr nachvollziehbar.

Es braucht Mut sich selbst einzugehen, dass man Unterstützung oder Hilfe benötigt. Meines Erachtens ist dies kein «Versagen», sondern ein Ja zu sich selbst und ein Akt grosser Selbstfürsorge. Vor jedem Menschen, der den Schritt wagt sich intensiver mit sich selbst und seinen Problemen auseinander zu setzen und bereit ist nötige Veränderungen in Angriff zu nehmen ziehe ich meinen Hut. Denn auch dies braucht Mut. Es braucht Mut genauer hinzuschauen, vielleicht auch zu gewissen Bereichen einen Blick zu werfen, die sehr schmerzlich sind und denen man im liebsten aus dem Weg gehen möchte.
Mut ist für mich keine Schwäche, sondern eine Stärke, die ich zu tiefst würdige.

Vielleicht gibt es Gedanken wie «Ich bin doch gar nicht krank genug für eine Psychotherapie» oder «das schaffe ich auch irgendwie alleine», die im Endeffekt eher hinderlich sind und Sie weiter im Hamsterrad Ihrer Probleme drehen lassen. Die Einzelkämpfer-Mentalität ist in manchen Fällen vielmehr Leid erzeugend als hilfreich. Bei einem körperlichen Leiden wird oftmals weniger lange überlegt, ob tatsächlich ein Arzt konsultiert werden soll oder nicht. Sobald die Lebensqualität und das Wohlbefinden leidet, darf hier ebenso Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Meine Beobachtung der letzten Jahre ist, dass der Trend immer mehr hin zu Beratung und Coaching geht. Die Hürde ist gefühlt irgendwie niedriger, denn ein Coaching klingt für viele im ersten Blick nicht so «schlimm» wie eine Psychotherapie. Beratung und Coaching richten sich meist auf einen Teilaspekt, bspw. Probleme am Arbeitsplatz und dauern oftmals weniger lang. In der Psychotherapie wird der Fokus mehr auf den Menschen insgesamt gelegt. Sie ermöglicht tiefer gehende Veränderungen und Einsichten, hilft grössere Zusammenhänge zu verstehen. Manchmal entwickelt sich auch aus einem Beratungsgespräch ein Thema, dem man intensiver nachgehen möchte und hin zu einem psychotherapeutischen Prozess führt.

In meiner Tätigkeit biete ich aus diesem Grund sowohl Psychotherapie als auch psychologische Beratung an. In einem Erstgespräch kann eine Art Bilanz gezogen und gemeinsam entschieden werden, ob es sich tatsächlich um ein einzugrenzendes Problem handelt, oder ob die Schwierigkeiten und Verhaltens- und Gedankenmuster tiefer gehen. Beides ist somit möglich.

Vielleicht fragen Sie sich auch, woran Sie erkennen können, dass Sie von einer psychotherapeutischen Behandlung profitieren können?
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Sorgen und Probleme Ihren Alltag bestimmen und Sie dadurch anhaltende Einschränkungen erfahren, wie bspw. Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhter Stress, Verlust von Antrieb und Motivation oder schlechte Laune, könnte eine erste Kontaktaufnahme mit einem Psychotherapeuten hilfreich sein. Auch wenn Ihre Probleme die Beziehungen zu Freunden, dem Partner / der Partnerin oder anderen Angehörigen belastet, und diese Sie vielleicht auch schon darauf angesprochen haben und sich Sorgen machen. Der erste Schritt ist meist der schwierigste. Den riesigen «inneren Schweinehund» kennen wir alle. Ist dieser und die Gefühle der Scham und Angst einmal überwunden, merken wir, dass der innere Schweinehund gar nicht mehr so gross und mächtig ist und wie sehr wir für uns selbst und den Wunsch nach Veränderung einstehen.

Ich möchte jeden Menschen dazu animieren mutig zu sein und für sich und sein Wohlbefinden einzustehen. Ein lebenswertes Leben darf jedem zustehen.

Vor ein paar Wochen begegnete mir ein Spruch auf einer Postkarte «Wir alle sollten öfter einmal einen MUTausbruch haben», der mich sehr berührte. Vielleicht schaffen Sie es auch immer häufiger einmal Mutausbrüche in Ihren Alltag zu integrieren und dadurch Veränderung und neue Erfahrungen zu schaffen.


Tags

Coaching, Mut, Psychotherapie


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